Große Marken können Private-Label nicht länger ignorieren

Dienstag, 12. Juni 2018 | Neuigkeiten

Große Marken können Private-Label nicht länger ignorieren

Private-Label-Unternehmen rangierten im FMCG-Sektor jahrzehntelang unter „ferner liefen“ – anonyme Anbieter im Schatten der großen, bekannten Marken. Mittlerweile spielen sie jedoch eine zunehmend wichtige Rolle. Unsere jüngste Studie unter Herstellern für Lebensmittel und Erfrischungsgetränke in Großbritannien ergab, dass Private-Label-Unternehmen im Renditevergleich zum ersten Mal in 30 Jahren die Nase vorn haben. Traditionelle Markenhersteller müssen jetzt einsehen, dass sie von Private-Label-Akteuren überrundet werden, und sich fragen, wie sie mit ihnen Schritt halten können.

Der Aufstieg der Eigenmarke vom schlichten Schnäppchenprodukt in den untersten Supermarktregalen zum Herausforderer der großen Marken begann mit dem Verbraucher. Eine klare Ausrichtung auf Qualität, Design und Marketing während des letzten Jahrzehnts hat die Wahrnehmung verändert, so dass sich Private-Label-Erzeugnisse nicht mehr vor Premium-Produkten verstecken müssen. Tesco Finest, Monoprix Gourmet und Carrefours Reflets de France konnten sich als hochwertige Erzeugnisse etablieren und ermöglichen den Einzelhändlern, höhere Margen in allen Preisklassen zu erzielen.

Gleichzeitig hat der Vormarsch der deutschen Discounter Aldi und Lidl dazu beigetragen, Private-Label-Produkte von ihrem Stigma zu befreien: Beauty-Journalisten preisen die Wirkung der Aldi-Gesichtscreme Lacura (erhältlich für 2,45 €) in einem Atemzug mit dem Luxusprodukt Creme de La Mer (Preis: 120 €).

Ein dritter Faktor, der dem Private-Label-Sektor zugute kam, ist die Technologie. Wenn Kunden mit einem Klick Preise und Qualität vergleichen können, verlieren große Namen immer mehr an Bedeutung. Das gilt ganz besonders für die markenuntreuen „Millennials“, die jetzt ihre wichtigsten Konsumjahre erreichen. Zusammengenommen bedeuten diese Faktoren für die Lebensmittel- und Getränkebranche, dass Private-Label-Anbieter einen Platz am Tisch neben den etablierten Namen dieser Welt verdienen.

Während Verbraucher und Einzelhändler die Vorteile von Private-Label-Produkten für sich entdeckt haben, sind traditionelle Markenproduzenten noch nicht so weit: Sie sehen Private-Label nach wie vor als ein mühsames, margenschwaches Geschäft, das ganz vom Wohlwollen der Einzelhändler abhängig ist.

Gerade diese Herausforderungen sind es jedoch, die den Private-Label-Sektor zu dem gemacht haben, was er heute ist. Akteure wussten sehr gut, dass ein wichtiger Abnehmer jederzeit zur Konkurrenz wechseln konnte. Man musste also Agilität entwickeln, auf breiter Ebene flexible Innovation bieten und gleichzeitig die Kosten niedrig halten. Viele Anbieter haben eine internationale Präsenz aufgebaut, um weniger von einer kleinen Gruppe Einzelhändler abhängig zu sein, und die besonders schlauen unter ihnen haben ihr Sortiment diversifiziert, so dass sie mehr als einen Vertriebskanal bedienen können. Ein gutes Beispiel ist der italienische Schokoladenaufstrich-Hersteller Nutkao, der sein Produkt sowohl auf den Billigmarkt als auch auf das hochpreisige Gourmet-Segment eingestellt hat.

Im Gegensatz dazu haben sich Markenunternehmen mit ihren marktführenden Positionen in Sicherheit gewiegt und nicht Schritt gehalten. Viele vertraute Namen werden durch großen organisatorischen Strukturen und eine risikoscheue Kultur behindert. Wenn dann zum Beispiel ein neuer Herausforderer für Druck sorgt, kommen Private-Label-Anbieter schnell aus den Startlöchern, während die großen Marken noch ihre Schuhe zubinden.

Aber nicht alle Markenhersteller sind schwerfällig. Im Oktober 2016 gründete Nestlé das Joint Venture Froneri mit der Private-Label-Firma R&R im Speiseeis-Sektor. Dank der Private-Label-Kompetenzen von R&R, kombiniert mit der enormen Markenstärke von Nestlé, kann Froneri dem Einzelhandel eine wertvolle Komplettlösung in seiner Kategorie bereitstellen. Damit agiert Froneri nicht nur als reiner Produktlieferant, sondern auch als Verbündeter des Einzelhändlers mit Einfluss auf Innovation, Preise und Werbung.

Nestlé hat es vorgemacht: Markenhersteller müssen Wege finden, wie sie vom Private-Label-Sektor lernen können. Sie könnten beispielsweise Talente aus diesem Bereich anwerben oder Best Practices übernehmen, darunter die Entwicklung engerer Beziehungen mit Einzelhändlern und der Aufbau flexiblerer Lieferketten. In anderen Fällen könnte es sinnvoll sein, Geschäftsmodelle zu kombinieren oder sich vielleicht sogar mit einem Private-Label-Produzenten zusammenzutun, um das Co-Manufacturing kleinerer, schnell wachsender Marken zu übernehmen. Eins ist sicher: Das einstige Stiefkind des Marktes ist heute den Markenherstellern gewachsen und lässt sich nicht mehr in die Ecke schieben.

Erfahren Sie mehr über Will Hayllar, Partner

Dieser Artikel erschien zum ersten Mal auf The Grocer am 10. May 2018

 
 
 

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